Liebe Konfis, liebe Gemeinde,
wirklich Macht zu haben, das wär doch ein Ziel. Dass ich bestimmen könnte, was passiert. Durch ein kleines Symbol, ein kleines Zeichen vielleicht. Etwas, das mich im Handumdrehen zum Beherrscher aller machen könnte. Wenn ich könnte.... wenn ich die Macht hätte... was würde ich nicht alles damit tun?
Als Kind, da hätte ich gern all die bunten Sachen, von denen ich träumte, auf einmal haben wollen! Und ich hätte diesen großen Jungen vom Schulhof, der in jeder Pause alle anderen, auch mich, immer geschubst und geärgert hat, gezeigt, wer wirklich mächtig und stark ist.
Ich hätte als Jugendlicher dafür gesorgt, dass ich auf allen Partys gern gesehener Gast gewesen wäre, dass alle tollen Mädchen auf mich zugekommen wären und, dass dieser blöden Mathelehrer nicht gewagt hätte, meine Arbeiten auch nur schräg anzusehen.
Als Student hätte ich all die Bücher einfach nur angesehn und sofort alles gewußt, später hätte ich fast alles dafür gegeben, einen Ring zu haben, der mich unsichtbar macht, um mal im Prüfungsbüro im Landeskirchenamt die Examensthemen durchzulesen und dann dafür gesorgt, dass ich alle Fragen mit einem freundlichen Lächeln beantworten könnte.
Und heute? Ich würde erzwingen, dass alle Menschen sich vertragen, alle Pistolen und Pumpguns verschwinden, die Menschen sich hier in der Gemeinde und mit Jesus Christus zuhause fühlen und alle immer mit guter Laune den Tag verbringen. Und, nebenbei würde ich meine Macht dafür benutzen, dass Deutschland bei der Fußball Europameisterschaft nicht gleich in der Vorrunde rausfliegt und ich so einen klitzekleinen bescheidenen neuen Porsche kriege.
Die Macht zu haben, wie könnte das aussehen? So wie dieser kleine Ring hier?
(zeige einen Ring)
Unscheinbar... aber überraschend schwer.... und wenn ich ihn an den Finger stecke .....
Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden,
Ins Dunkle zu treiben und ewig zu binden
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn
Was ist das?
Der Ring der Macht. Und wenn Sauron ihn in den Händen hält, dann ist alles zuende, das Böse herrscht dann.
Gut, nicht alle kennen die Geschichte. Der Herr der Ringe. Drei sagenhafte Filme, drei faszinierende Bücher. Sauron, der böse Herrscher, hat im Feuer des Schicksalsberges einen Ring geschmiedet, mit dem er alle Völker auf der Mittelerde beherrschen kann. In einer ersten Schlacht wird er besiegt, aber der Ring nicht vernichtet. Nach Tausenden von Jahren wird der Ring von einem Hobbit, einem Wesen halb so groß wie ein Mensch, wieder gefunden und die Macht Sauron erstarkt neu. Und hier beginnt der Film:
Gegen das Böse wenden sich neun Gefährten, die sich auf den Weg machen, den Ring im Feuer des Schicksalsberges zu vernichten. Unterwegs kommen sie auf andere Ideen. Sie finden Zuflucht bei der Königin der Waldelben, der schönsten Frau überhaupt. Und Frodo, der Hobbit, der den Ring trägt um ihn zu vernichten, bietet ihn der Königin des Schönen und des Guten an.
Es ist beeindruckend, was die Elbenkönigin Galadriel dazu sagt, ich lese es einmal aus dem Roman vor:
„Ich leugne nicht, daß mein Herz sehr begehrt hat, um das zu bitten, was du anbietest. Viele lange Jahre habe ich darüber nachgesonnen, was ich tun würde, wenn mir der Große Ring in die Hände fiele, und siehe da! er ist in meiner Reichweite. ...
Und nun ist es endlich soweit. Du willst mir den Ring freiwillig geben! Anstelle des Dunklen Herrschers willst du eine Königin einsetzen. Und ich werde nicht dunkel sein, sondern schön und entsetzlich wie der Morgen und die Nacht! Schön wie das Meer und die Sonne und der Schnee auf dem Gebirge! Grausam wie der Sturm und der Blitz! Stärker als die Grundfesten der Erde. Alle werden mich lieben und verzweifeln!«
Sie hob die Hand, und von dem Ring, den sie trug, ging ein starkes Licht aus, das nur sie allein erleuchtete und alles andere dunkelließ. Sie stand vor Frodo und schien jetzt unermeßlich groß zu sein, und unerträglich schön, entsetzlich und verehrungswürdig. Dann ließ sie die Hand sinken, und das Licht verblaßte, und plötzlich lachte sie wieder, und siehe da! sie war geschrumpft: eine schlanke EIbenfrau, in einfaches Weiß gekleidet, deren liebliche Stimme leise und traurig war.
»Ich bestehe die Prüfung«, sagte sie. »Ich werde schwächer werden und in den Westen gehen und Galadriel bleiben.«
Ja, es kommt schon darauf an diese Prüfung zu bestehen. Wen uns das gelingt, dann verzichten wir auf die Gier nach Reichtum und Macht. Ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, habt das ja gelernt bei den 10 Geboten, habt gelernt was es im 9. und 10. Gebot heissen soll: „Du sollst nicht begehren....”.
Es ist nämlich in Wirklichkeit so: Der Ring verbindet sich mit anderen - und endet als schwere Kette, die uns fesselt. So wie Galadriel der Versuchung widerstehen konnte, so können wir uns frei machen von den Zwängen dieser Kette.
(eine lange Metallkette fällt geräuschvoll von der Kanzel)
Euch wünsche ich, dass Eure Wege nicht die schlurfenden Schritte der angeketteten Sklaven des Ringes sind, dass ihr nicht, wie in der Inschrift des Ringes der Macht, geknechtet, ins Dunkel getrieben und ewig gebunden sein werdet im Lande Mordor, wo die Schatten drohen, oder in Lippe oder wo auch immer.
Es ist nicht das Dunkel der Macht, dem zu folgen es sich lohnt. Auch bei Tolkien und dem Herrn der Ringe siegt nicht der dunkle Schatten Mordors. Der Sieg des Lichtes mag schwer errungen sein, aber er ist gewiss.
Es gibt ein Zeichen, dass anders ist als der Ring der Macht. Es scheint wie ein Zeichen der Machtlosigkeit. Wir sind ihm gefolgt als wir zu Anfang in die Kirche einzogen und wir haben es hier immer vor Augen: Das Kreuz.
Unser Kreuz vorn in der Kirche ist geschaffen aus der Eichentreppe eines zerbombten Hauses und der Korpus aus dem Stamm einer im Krieg von Granaten zugrundegerichteten Linde. Das Kreuz ist ein vielfältiges Zeichen, ein Zeichen des Verzichts auf Macht wie wir sie kennen zu allererst - sonst wäre nicht der Gekreuzigte der, dem wir als Christen nachfolgen. Hätte er Macht gewollt, so wie im Buch von Tolkien den Ring, er hätte sie haben können.
Das Kreuz, ob groß wie dort an der Wand oder ob klein wie dieses hier, dass Ihr als Erinnerung an Eure Konfirmation gleich bekommen werdet, es ist ein Bild für eine ganz andere und viel stärkere Macht.
Eine Macht, die Leben bedeutet, die Mensch-sein bedeutet, Mensch, wie Gott uns geschaffen hat: als sein Ebenbild, als Geschwister in dieser Welt.
Daniela hat ihn als Ihren Konfirmationsspruch ausgesucht, den Satz aus dem Johannesevangelium, den wir bei jeder Taufe zitieren wenn wir die Taufkerze anzünden:
Jesus sagt: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. (Johannes 8,12)
Folgt diesem Zeichen, es verspricht nicht Reichtum und Einfluss, sondern ein Leben miteinander, dass auf Liebe setzt, auf Verstehen, auf das Miteinander statt auf die Überwältigung der anderen.
Ich wünsche euch nicht, dass ihr im Banne des Ringes lebt im Lande Mordor, wo der Schatten droht. Und ich wünsche euch nicht, dass ihr die Macht selber sucht und am Ende Angst haben müsst Euch Mächten auszuliefern, die Ihr nicht mehr beherrschen können. Ich wünsche euch, dass ihr Kinder Gottes seid, die wissen: Der dem ich meine Freude und meine Not anvertraue, der kennt mich und liebt mich wie ich bin.
Ich wünsche Euch die wirkliche Macht: Und damit bin ich ganz zum Schluß beim Predigttext dieses Gottesdienstes, in dem ich alles wiederfinde, was ich heute gesagt habe: Er steht bei Markus im 9. Kapitel (Mk. 9,23):
„Jesus spricht: Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt."
Das ist so. Hoffentlich erlebt ihr es selbst einmal.
Amen.
Predigt zur Konfirmation 2004, Martin-Luther-Kirche Detmold
Pfr. Dipl.theol. Hans Immanuel Herbers